Gotisches Zimmer
Kirchliches Leben im Mittelalter und in der Renaissance
Altargemälde und sakrale Kunst von 1300 bis 1550
Der stark beschädigte Torso der Muttergottes mit Kind ist ein frühes Zeugnis kirchlichen Lebens im reichstädtischen Überlingen. Vielleicht von Meister Heinrich von Konstanz geschaffen, gehört sie zu den qualitätvollsten Holzschnitzereien am Bodensee kurz nach 1300.
1349/50 wurde St. Nikolaus zur Pfarrkirche erhoben und der Bau eines neuen Chors begonnen. Die Altarflügelfragmente mit Maria Magdalena und dem Ungläubigen Thomas dürften Reste des im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts geschaffenen Hochaltars sein, der 1616 durch das Werk Jörg Zürns ersetzt wurde. Die Gemälde gehören der sog. Internationalen Gotik an, die mit dem Konstanzer Konzil 1414-1418 an den Bodensee kam.
Neben der Münsterpfarrkirche waren die seit 1259 ansässigen Franziskaner für das kirchliche Leben wichtig: So wurde z. B. in der 1348 geweihten und im 15. Jahrhundert erweiterten Kirche für Werkleute täglich die Frühmesse gelesen, für Arme und Dienstboten am Sonntagnachmittag das Evangelium ausgelegt. Die Flügel des 1518 beauftragten alten Hochaltars der Klosterkirche zeigen in volksnaher Einfachheit und Drastik die Enthauptung der ersten Franziskanermönche in Marokko und die Stigmatisation des hl. Franziskus. Sie stehen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit: Während der Goldgrund auf mittelalterliche Tradition verweist, lassen Landschaft und Figuren die Kenntnis moderner Kunst erkennen.
Zeugnisse für Überlinger Renaissancemalerei um 1515/20 sind die Dornenkrönung Christi, deren Maler grafische Vorlagen von Albrecht Dürer verarbeitet hat, und der aus der Goldbacher Sylvester-Kapelle stammende Gnadenstuhl.
Die in Überlingen vergleichsweise große Anzahl erhaltener Werke aus vorreformatorischer Zeit ist dem Umstand zu verdanken, dass die Reichsstadt immer katholisch blieb.